KRÄUTERSAGEN

Von Carsten Kiehne

Die Sage von der Wegwarte

Graf Burchard von Falkenstein liebte sein kleines Mädchen, abgöttisch sogar, aber, dass sie einen Nichtsnutz heiraten wollte, wo ihr doch wegen ihrer Anmut und Schönheit alle Ritter und Grafensöhne nah und fern gewogen waren, dass konnte er nicht verstehen und würde es auch niemals tolerieren. "Schlag's dir aus dem Kopf, mein blauäugiges, blaublütiges Röslein!", sagte er kühl, als sie ein letztes Mal die Wahrhaftigkeit ihrer Liebe beteuerte und beendete damit jede kommende Diskussion. Ach herrje, da eben jener Ritter, der das Herz der Grafentochter im Sturm erobert hatte, im Lehen des Grafen Burchard stand, musste er dem Befehl des Falkensteiners Folge leisten. "Beteilige er sich an Hirtenkreuzzug und wir werden sehen, ob er den Mauren die Iberische Halbinsel ebenso leicht abringen kann, wie einer naiven Jungfrau ihr Herz! Ist er erfolgreich, so steht es ihm frei zu werben. Doch nun mache er sich ohne viel Aufhebens auf in den 7. Kreuzzug!" Was wäre sein Ritterschwur, wenn er nicht beherzt dieser heiligen Verpflichtung entgegenritt? Er ließ es zu, dass die Grafentochter ihn noch ein Stück seines Weges begleitete, bis eben dort, wo heute Meisdorf liegt. Bevor er aber davonritt, hüllte er das Mädchen für einen süßen, gefühlt ewig währenden Moment in seinen himmelblauen Mantel ein. Der Geschmack seines Kusses und sein Geruch an ihrem Gewand, blieben ihr als einziges von ihm zurück. Sie beschloss, nicht ohne den Ritter auf den Falkenstein zurück zu kehren, so sehr ihr Vater, die Freunde, die Knechte und Mägdesie auch baten. Sehnsüchtig würde sie lieber bis zum Ende ihrer Tage seiner Rückkehr harren: "Werde nie ohne ihn nach Hause gehen, lieber am Wegesrand ewig stehen. Und bevor ich lass das Weinen sein, werd' ich lieber ein Feldblümlein!" Mit diesem Spruch soll sich die Grafentochter verwandelt haben und nun ab jeder Sommensonnenwende als Wegwarte mit ihren Blüten, die so himmelblau waren wie ihre Augen, gen Sonne blicken. Vom Kreuzzug kam der Liebste leider nie zurück. Graf Burchard übereignete im Jahre 1332 als letzter seines Geschlechts, seinen Falkenstein dem Domstift Halberstadt zog sich dort ins geistliche Leben zurück und reute sicher sein Tun!

Die Wegwarte, die heute überall am Feldesrand wächst, kennt man heute als Zauberpflanze. Gräbt man sie am Tage der Sommensonnenwende mit einem Hirschgeweih aus, dann könne man jeden betören, den man damit berührt. Wickelt eine Frau die Wegwarte in eine Männerhose und nutzt das als Kopfkissen, würde sie im Traum ihren künftigen Ehegatten sehen. Ein Mann, der die Pflanze am Körper trägt, werde unbesiegbar und unverwundbar, so die Legende.

(aufgeschrieben von Carsten Kiehne in: "Die schönsten Sagen aus Ballenstedt & dem Selketal")

Der Zauber vom Brautstein

In der Eulenburg in Oker wohnte einst die Holda, eine nicht mehr ganz junge Frau, mit ihren jüngeren Schwestern, die trotz ihrer Schönheit keinen Mann für sich gewann. Das mochte an ihrer lockeren Zunge liegen oder an ihrem wachen Geist, ich weiß es nicht zu sagen.Wie es sie zu grämen begann, dass auch ihre jüngste Schwester unter die Haube kam, da ging sie zur Kräutermuhme, die man in jener Zeit oft auf der Halleschen Höhe sitzen und Beeren sammeln sah. "Den Brautstein musst berühren - das, wass du willst erspüren - schon hat die Holle dich belohnt und zu dem nächsten Wonnemond wird dich ein Mann heimführen!", sagte die Alte, doch mahnte, dass es nicht leicht wäre dort hinaufzukommen, würde doch in den Bergen ein Lindwurm hausen und garstige, gelbzähnige Gnome rumgrummeln. Und tatsächlich, wie sich Holda auch abmühte, sie kam nicht einmal in der Nähe des Brautsteines. Immer ging irgendetwas schief: Mal war vor Arbeit keine Zeit, dann jagten die Gewitterstürme übers Okertal, dann war sie krank und kam der Tag, an dem sie sich wirklich auf den Weg machte, hatte sie nach kurzer Zeit das Gefühl, die Beine würden ihr bleiern schwer werden, ganz so, als hätte ihre Neffen und Nichten den ganzen Tag getragen. Ja, richtig, es fühlte sich genauso an: So als ob sie hundert kleine Wichte tragen müsste! Das waren die Gelmkegnome und Gichte, die sich an sie hefteten, kaum hatte sie den den Berg betreten. Dann aber fiel Holda etwas Seltsames, fast Wunderbares auf: Immer, wenn sie unverrichteter Dinge nach Huase schleppte, die Pforte zur Eulenburg passierte, dann fiel alle Schwere von ihr ab. Denn dort am Eingang standen zwei Hollerbüsche von denen es ja heißt, man könne ihnen alle Krankheiten anbinden. Jeder Irrwicht oder Krankheitsdämon würde vom Holunder angezogen, in die Erde gesogen werden und fiele in den Kessel der Frau Holle. Da wusste Holda endlich, was zu tun war. Sie pflückte einige Beeren in ihr weißes Hemdchen, brach sich ein Stöckchen und machte sich zur selben Stunden wieder auf den Weg. Und dieses Mal, mit dem Hollerzweig in der Hand, den Beeren im Hemd und der Zuversicht im Herzen, langte sie unbehelligt beim Brautstein an!

Doch Vorsicht: Der Hollerbusch schützt zwar Haus und Hof vor bösen Geister, bringt auch Gesundheit, Liebe und Fruchtbarkeit, ist aber ein Baum des Lebens und des Todes zugleich. Nicht umsonst heißt es, dass nur Kinder und Frauen mit reinem Herzen seine Äste brechen dürfen!

"Willst du aus dem Leben scheiden, musst nur den Holler fällen, schneiden!"

(dem Volke abgelauscht und aufgeschrieben von Carsten Kiehne)

Aktualisiert: 2025
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